Freiheit und Souveränität im Digitalen = Open Source

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Es wurde schon viel über digitale Souveränität geschrieben. Ich selbst habe schon viel über digitale Souveränität nachgedacht, verbreitet und geschrieben. Viel mit anderen Menschen über digitale Souveränität gesprochen und mich gemeinsam mit ihnen mit dem Inhalt des Begriffes ‚digitale Souveränität‘ auseinander gesetzt. Meine Kolleginnen und Kollegen von der Open Source Business Alliance e.V., dem Bundesverband für digitale Souveränität arbeiten seit Jahren daran, den Begriff ‚digitale Souveränität‘ zu definieren und die ‚Sache‘ zu gestalten. Mit der ‚Sache‘ meine ich die Technologien, die digitale Souveränität überhaupt erst möglich machen. Open Source Technologien. Dabei sind so viele Gespräche, Aktivitäten und Gedanken notwendig, dass noch nicht einmal klar ist, ob wir über ‚Digitale Souveränität‘ oder über ‚digitale Souveränität‘ schreiben und sprechen wollen.

Diese Entscheidung müsste eigentlich ich treffen. Eine Sprachregelung. Ich bevorzuge ‚digitale Souveränität‘ und den Untertitel ‚Souveränität im Digitalen‘.

Souveränität im Digitalen

Mit ‚im Digitalen‘ meine ich alles und wirklich alles, mit was wir es zu tun haben, sobald ein angeschaltetes Mobiltelefon in unserer Nähe herum liegt. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen paranoid, aber vielleicht werde ich demnächst einen eigenen Beitrag darüber schreiben.

Das Digitale beginnt dann, wenn Du in das Bild einer Überwachungskamera gerätst; In den meisten Fällen bemerkst Du das nicht einmal. Du bist im Digitalen, wenn Du jemanden anrufst oder eine Video-Konferenz besuchst. Wenn Du im Internet surfst oder Dich mit Deinem Handy beschäftigst, dann hinterlässt Du natürlich ohnehin und ganz besonders deine ganz persönlichen, digitalen Fingerabdrücke, die pausenlos registriert, überwacht und gespeichert werden.

Ich gebe zu, radikal zu sein. Ich verstehe ‚Souveränität im Digitalen‘ als sehr weit gefasst. Ich möchte Kontrolle über die Technik. Und ich möchte nicht erlauben, dass sich hier die Verhältnisse umkehren und die Technik Kontrolle über mich ergreift.

Nun sprechen wir hier über ein Utopia, das wir so noch nie hatten. Ich habe in den frühen Zweitausendern zusammen mit Danuta Harrich-Zandberg und Walter Harrich für deren Produktionsfirma ‚diwafilm‘ einen Beitrag für das ZDF Format ‚Abenteuer Wissen‘ produziert, in dem es um Überwachung ging.

Jagd mit 1000 Augen

Auf unsere Nokia-Knochen, die wir in dieser Zeit benutzt haben, konnte man schon damals ‚unsichtbare SMS‘ schicken, um das Mobil-Telefon jederzeit lokalisierbar zu machen. Das hat mir zumindest ein Kriminalkommissar der Mordkommission erzählt und der musste es wissen. Nicht, dass ihm das ohne richterlichen Beschluss erlaubt gewesen wäre, vielleicht wurde es auch nie verwendet, aber die Technologie war da.

Dazu gab es jede Menge ‚Mikro-Kameras‘, die man an den verrücktesten Orten verstecken konnte und ‚Mikro-Mikros‘, sprich Wanzen. Das wurde mir alles in einem Spionagebedarfs-Laden in der Nähe von Stuttgart gezeigt und demonstriert. Es gab schon Gesichtserkennung in Casinos in Las Vegas. Und die Biometrie hatte gerade in die Ausweise Einzug genommen. Das war eine Folge von 09/11/01 – der ZDF-Beitrag ’Jagd mit 1000 Augen‘ wurde zwischen 2003 und 2004 produziert. Die USA hatte da bereits biometrische Bilderkennung und digitale Fingerabdruck-Registrierung an den Außengrenzen eingeführt und Deutschland begann gerade damit, das Konzept der Biometrie in das Ausweis-Wesen einzuführen.

Unserem Team wurde erlaubt, in den Showrooms eines Unternehmens in München zu drehen. Dort wurden uns die vorhandenen Möglichkeiten der biometrischen Erkennung gezeigt. Fingerabdruck-Scan, Iris-Scan, biometrische Photographie und Bild-Erkennung. Das hört sich heutzutage nach nichts besonderem an, aber 2004 habe ich da ziemlich gestaunt.

Vielleicht wird verständlich, dass ich das alles ein bisschen eng sehe, wenn man berücksichtigt, dass ich im Jahr 1967 geboren wurde und deswegen von klein auf mit Themen wie ‚Tschernobyl‘, ’saurer Regen‘, ‚Atomkraftwerke‘ und eben auch Datenschutz (Einführung der Bar-Codes) in Berührung kam.

Als Bar-Codes eingeführt wurden, war das eine riesige Nummer in der Oberstufe meines Gymnasiums. Weil ich erst in der Neunten war, hat sich niemand die Mühe gegeben, mich aufzuklären. Vielleicht verstehe ich deswegen bis heute nicht genau, welche Sorgen die Oberstufe damals bewegt hat.

Vielleicht reagieren Heranwachsende sensibler auf Bedrohungen, oder haben es zumindest damals getan. Ich erinnere mich daran, dass ihre Befürchtungen vielleicht mit George Orwell’s ‚1984‘ und mit ‚Schöne neue Welt‘ von Aldous Huxley zu tun hatten. Ein paar jungen Leuten, die damals nur wenig älter waren als ich, hat die Einführung der Bar-Codes Kopfzerbrechen bereitet. Sie fürchteten sich vor Überwachung durch Digitalisierung. Damals schon. Oder damals noch.

Freiheit im Digitalen

Nachdem ich meinen gewissen Grundrespekt, den ich dem ‚Digitalen‘ und der ‚Überwachung‘ entgegen bringe, hoffentlich ausreichend erklärt habe, wird vielleicht auch leichter verständlich, warum ich dem Thema ‚Freiheit im Digitalen‘ einen recht großen Teil meiner Aufmerksamkeit schenke.

Dass wir immer auch über Freiheit sprechen, wenn wir von Souveränität sprechen, das unterstelle ich an dieser Stelle. Souveränität ist ohne ein ausreichendes Maß an Freiheit nicht möglich und Freiheit ohne Souveränität ist natürlich keine Freiheit. Zur Freiheit gehört es meiner Meinung nach auch, nicht auf Schritt und Tritt überwacht, getrackt und algorhytmiert zu werden, aber vielleicht ist das auch eine eigene Geschichte, die ich einmal schreiben werde.

Vorerst geht es um das vorhandene Minimum an Freiheit und Souveränität im Digitalen. Beides ist besonders schützenswert und wichtig und ich möchte dazu beitragen, dass wir nicht nur unser Minimum verteidigen, sondern eine Technologie entwickeln, die es uns erlaubt, größtmögliche Freiheit und Souveränität im Digitalen zu erlangen.

Open Source und freie Hard- und Software

Wenn ich ganz alleine dastehen würde mit meiner Vision, dann wäre es sicher vermessen, eine solche Technik zu erhoffen. Aber ich stehe nicht alleine da. Tausende und Abertausende von Entwicklern und Enthusiasten geben ihre Kompetenz, ihre Zeit und ihre Energie in dieses Ziel. Die Open Source Business Alliance, für die ich als freie Pressesprecherin arbeite, vertritt heute (Anfang März 2022) rund 170 Mitgliedsunternehmen der Open Source Wirtschaft, die in Deutschland gemeinsam jährlich mehr als 1,7 Milliarden Euro erwirtschaften. Das sind alte Zahlen – die OSB Alliance hat in den letzten Monaten sehr viele neue Mitglieder gewonnen. Teilweise sehr große Unternehmen und Institutionen, die sich alle in diesem Sinne einig sind: Open Source ist der einzige Weg zur Freiheit im Digitalen. Und zu einem digital souveränen und wettbewerbsfähigen Europa.

Wer bekommt die Deutungshoheit?

Aktuell bemühen sich sehr viele Unternehmen darum, oder sagen wir besser, momentan besteht ein allgemeines großes Interesse daran, die Deutungshoheit über den Begriff ‚digitale Souveränität‘ zu erlangen. Selbst wenn ‚digitale Souveränität‘ dadurch zum Buzzword verkommt: Alles erscheint geeignet, erlaubt und sinnvoll, wenn es darum geht, diesen Begriff von seiner ihm innewohnenden Bedeutung zu trennen. Das führt dann auch dazu, dass das Wort ’souverän‘ so häufig wie möglich in Pressemeldungen untergebracht wird. Und so geschieht es dann tatsächlich, dass sich die beiden Großmeister proprietärer Software, nämlich Microsoft und SAP mit Arvato (einer Bertelsmann Tochter) zusammen tun wollen, um eine ’souveräne‘ Bundescloud anzubieten. Und in ihrer Presseerklärung mindestens 6 oder 7 mal das Wort ’souverän‘ fallen lassen. So etwas fällt zum Glück nicht nur mir auf. Aber ich wollte es mal gesagt haben.

Wenn Ihr Euch über die Open Source Business Alliance und das Thema ‚digitale Souveränität‘ weiter informieren möchtet, empfehle ich Euch, ab und zu auf der Website der OSB Alliance nach dem Begriff ‚digitale Souveränität‘ zu suchen. Dort gibt es schon jetzt großartiges Material zum Thema Open Source und Digitale Souveränität. Vor allem aber hält die OSB Alliance auch in Zukunft den Finger am Puls. Vorstand, Mitarbeiter und natürlich die Mitglieder arbeiten gemeinsam daran, freie, offene und souveräne Technologien für Menschen, Unternehmen und Institutionen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt zu entwickeln und nutzbar zu machen. Freiheit im Digitalen. So wichtig!