Tragikomödie des modernen Kundenservice
17.06.2025
KI:
Guten Tag. Ihre Anfrage ist uns wichtig. Das folgende Gespräch wird zu Trainingszwecken aufgezeichnet. Sind Sie damit einverstanden?
KUNDE:
Ja
KI:
Bitte nennen Sie kurz Ihr Anliegen. Bitte sagen Sie Reklamation, wenn Sie eine Reklamation aufgeben wollen. Bitte sagen Sie Bestellung, wenn Sie eine Bestellung aufgeben wollen. Bitte sagen Sie Lieferstatus, wenn Sie Fragen zu Ihrer Lieferung haben. Bitte sagen Sie Kundenkonto, wenn Sie Fragen zu Ihrem Kundenkonto haben…
KUNDE:
Gutschrift.
KI:
Leider habe ich Sie nicht verstanden. Bitte sagen Sie Reklamation, wenn Sie eine Reklamation aufgeben wollen. Bitte sagen Sie Bestellung, wenn Sie eine Bestellung aufgeben wollen…
KUNDE:
Gutschrift!
KI:
Sie sagten: „Buntstift“. Möchten Sie auf dem Marktplatz Produkte aus dem Bereich „Buntstifte“ sehen?
KUNDE:
Nein. Gutschrift.
KI:
Danke. Ich habe verstanden: „Zugriff“. Zugriff ist zurzeit leider nicht verfügbar.
KUNDE:
Ich möchte mit einem Mitarbeiter sprechen.
KI: Sie sagten: „Mindestalter“. Für den Kauf bestimmter Produkte brauchen Sie ein Mindestalter von 18 Jahren. Darf ich Sie zu Ihren Einstellungen zum Altersnachweis führen?
KUNDE: Mensch!
KI:
Bitte sagen Sie Reklamation, wenn Sie eine Reklamation aufgeben wollen. Bitte sagen Sie Bestellung, wenn Sie eine Bestellung aufgeben wollen. Bitte sagen Sie Lieferstatus, wenn Sie Fragen zu Ihrer Lieferung haben. Bitte sagen Sie Kundenkonto, wenn Sie Fragen zu Ihrem Kundenkonto haben…
Ich habe heute bei Amazon angerufen – eine einfache Frage zu einer Gutschrift, nichts Besonderes. Früher ging das schnell: ein Mensch am Telefon, ein kurzer Austausch, Problem gelöst. Diesmal aber meldete sich ein Telefon-Roboter. Die Stimme kam mir bekannt vor, sie erinnerte mich verdächtig an meine Alexa zu Hause, war aber noch verbohrter in ihrem Verhalten. Ich wurde minutenlang durch ein Sprachmenü geführt, das weder auf meine Worte noch auf meine Absicht reagierte.
Als schließlich nach einem endlosen „Dialog“ doch noch eine Mitarbeiterin übernahm, war ich sehr erleichtert. Meine Frage war innerhalb von 1 Minute zu meiner vollsten Zufriedenheit geklärt – als ich sie dann endlich sprechen durfte.
Der direkte, persönliche Kontakt zwischen Kunden und Unternehmen schwindet zunehmend dahin. Automatisierte Systeme ersetzen Gespräche. Statt Lösungen zu finden, werden die Bedürfnisse von Kunden ausgefiltert. Dabei wäre die Lösung so einfach. Eine freundliche KI, die zu Beginn fragt: „Möchten Sie mit mir sprechen oder mit einem Menschen?“ – das wäre ein sinnvoller Einsatz. Was wir erleben, ist aber oft das Gegenteil: Wir begegnen Systemen, die versuchen, uns von Menschen fernhalten. Natürlich lässt sich so Geld sparen, aber das ist keine gute Geschäftsbeziehung.
Schon Karl Valentin hat das in „Buchbinder Wanninger“ beschrieben: ein endloses Weiterverbinden, das keine Lösung bringt. Nur dass es heute nicht mehr der Mensch ist, der endlos weiter verbindet, sondern eine Maschine, die als strenger Portalwächter zum schlimmsten Kostenfaktor zwischen Konzern und Kunde auftritt: Dem menschlichen Service-Mitarbeiter.
Künstliche Intelligenz kann im Kundenservice eine Hilfe sein – wenn sie dazu eingesetzt wird, Anliegen effizient vorzubereiten und Menschen sinnvoll zu unterstützen. Wenn sie aber stattdessen genutzt wird, sich Kundinnen und Kunden vom Hals zu halten, oder zumindest den Anschein erweckt, wird der Schuss nach hinten losgehen. Menschen merken sehr wohl, wann sie willkommen sind – und wann sie weggedrückt werden.
Ich habe jetzt das Feedback zu meiner Anfrage gegeben. Die Mitarbeiterin verdient gelobt und meine Beschwerde über das unerbittliche Vorzimmer-Roboter-Fräulein wiederholt. Ganz unten in der Mail mit der Bitte um Feedback stand ja auch:
„Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Ihr Feedback hilft uns dabei.“
Vielleicht konnte ich helfen.